Kapitel 7, Adriego rund um die Siegesfeier in Unau

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  Sein Blick wanderte unterdessen schmunzelnd zu Nazirs Quartier und dann zu Adriego, der in seinem Rücken höflich gewartet hatte. „Man soll sehen, dass bornische Frauen die schönsten sind.“, wandte er sich an den Almadaner, der für die Feier sein bestes Gewand angezogen hatte und lässig mit dem Rücken an die Wand gelehnt auf ihn wartete.
  Auch er hatte Jolinar hinterhergeblickt und grinste breit. „Dass bornische Frauen generell die schönsten sind, muss erst einmal bewiesen werden.“, zwinkerte er Dragomir selbstbewusst zu. „Die Wissenschaft akzeptiert ein Beispiel nicht als allgemeingültig. Für mich sind es also nach wie vor die Almadanerinnen!“
  „Bei aller patriotischer Vorliebe die Damenwelt betreffend schätze ich, wir können gleich eine wissenschaftliche Erhebung darüber vollziehen, wie schön tulamidische Frauen sind. Wenn mich nicht alles täuscht, klingt das nach federleichten Schritten auf blankem Marmor.“, bemerkte der Ritter schmunzelnd und verschränkte die Hände hinter dem Rücken, bevor er mit seinem Blick die Aufmerksamkeit des Almadaners auf den Eingangsbereich des Ostflügels lenkte.
  Tatsächlich tauchten dort gerade sechs barfüßige, in weite dunkle Tücher gehüllte Mädchen auf, vielmehr junge Frauen, zweifelsohne von graziler Gestalt und mit einem äußerst anmutigen Gang. Unter ihren Schleiern blitzten feurige Augen auf, was Adriego zu einem erstaunten Pfiff veranlasste. „Das könnt Ihr fürwahr laut sagen, Hochgeboren!“ Sogleich schloss sich der Schwertgeselle dem betörenden Sextett an und sagte in fließendem Tulamidya: „Ich fürchte beinahe, mir schwinden die Sinne! Was treibt euch Schönheiten hierher zu uns? Kommt ihr etwa, um uns zum Fest zu geleiten? In diesem Falle wäre es mir ein Vergnügen!“
  Seine Schmeichelei entlockte den tulamidischen Schönheiten Kichern und Tuscheln untereinander, was wiederum Xardan und Curthan dazu veranlasste, aus ihren Zimmer auf den Flur zu blicken. Drei der Mädchen trugen verschnürte Bündel bei sich und erschraken, als ein knappes, aber deutliches Klatschen hinter ihnen ertönte. Noch eine Frau in bunt schillernden Seidenschleiern eilte tänzelnden Schrittes auf sie zu, gefolgt von zwei Gardisten, dunkelhäutige Kraftpakete in blau glänzenden Pluderhosen und mit zwei gekreuzten Schärpen.
  „Yalla, ihr Töchter der Voreiligkeit, vergesst eure Aufgabe nicht, ihr nichtsnutzigen Kinder der Treulosigkeit!“, scheuchte sie rasch die sechs Mädchen zur Seite. Leises Klingeln und Klimpern drang unter den Schleiertüchern hervor, während sich die neu hinzugekommene Dame mit erhobenen Finger an Adriego wandte. „Es wäre schade, würden Euch die Sinne jetzt schon schwinden, Sohn des Übermutes! Oder seid Ihr solch ein Sohn der Schwächlichkeit?“ Noch bevor der Schwertgeselle etwas erwidern konnte, drehte sich die ältere, aber trotzdem durchaus begehrenswerte Frau um und ermahnte erneut ihre Mädchen, die es nicht lassen konnten, die Männer aus fremden Ländern neugierig anzusehen und ihnen den ein oder anderen verheißungsvollen Blick zu schenken. „Ich bin Azina ash-Shabra, wo sind Eure Frauen?“, richtete sie das Wort resolut, aber mit loderndem, vielsagendem Blick an Adriego, während sich Dragomir rasch in den Badesaal verdrückte.
  „Weder übermütig noch schwach bin ich, holde Dame! Mein Name ist Adriego Manzanares und was mich betrifft, so habe ich keine Frau!“ Ein breites Lächeln zeigte sich auf seinen Zügen, denn er hatte Spaß an dem schlagfertigen und mit Metaphern angereicherten verbalen Geplänkel. „Falls Ihr natürlich die Damen unserer Gemeinschaft meint, so ist es sicherlich verständlich, dass sie sich soeben für das Fest bereit machen. Schließlich ist ja gerade Konkurrenz der allerhöchsten Güteklasse auf den Plan getreten!“
  „Das werden wir noch sehen.“, kommentierte Azina kokett seine erste Bemerkung, um dann hinzuzufügen: „Dennoch muss ich wissen, wo eure Frauen sind, damit sie dem Herrscher aller Rechtgläubigen und seinen Gästen angemessen und gefällig gewandet erscheinen.“
  „Höchstwahrscheinlich auf ihren Zimmern.“, entgegnete der Schwertgeselle, den die religiöse Bezeichnung des Kalifen störte, deutlich kühler.
  Seine Gesprächspartnerin bemerkte das jedoch nicht oder hatte es sogar absichtlich provoziert, denn das neckische Schmunzeln unter ihrem Schleier ließ sich durchaus in beide Richtungen interpretieren. „Auf, meine Töchter der Anmut!“, klatschte sie abermals schnell in die Hände und scheuchte ihre Mädchen vorwärts zu den Zimmern der Damen.
  „Scheint, als würde die Gastfreundschaft heute weniger der Frau Travia, als der Herrin Rahja gerecht.“, merkte Curthan mit einem wohlwollenden Lächeln an, als die Mädchen samt Aufpasserin in die Zimmer der Gefährtinnen einfielen und dort Kleider und Schleier verteilten. Sein übel zugerichtetes Gesicht war dick verbunden, vor allem dort, wo noch vor wenigen Stunden sein linkes Auge gewesen war. Die gespaltene Lippe und die böse Kerbe in seinem Schädel hatte Eleon mit seinen magischen Mitteln zu heilen vermocht, doch das Sehorgan des Gefährten hatte er nicht retten können und auch Kazim war dort an seine medizinischen Grenzen gestoßen.
  „Mir soll es nur recht sein.“, bekannte Adriego lachend. „Die Herrin Travia kann immer noch so etwas wie das Mittagessen daheim beschützen, aber eine Feier obliegt selbstverständlich der Herrin Rahja.“
  […]Die Musik verstummte nahezu, nur leise war noch der klagende Laut der fremdartigen Instrumente zu hören, als verschleierte Tänzerinnen in den Saal zu schweben schienen, so grazil und anmutig wirkten ihre Bewegungen. Die Gefährten erkannten rasch Azina und ihre sechs Töchter der Voreiligkeit unter der größeren Schar der Tänzerinnen, die ebenso schnell die Aufmerksamkeit aller Anwesenden auf sich zogen. Im Rhythmus kreisender, schwingender und pendelnder Hüften schwoll die Musik wieder an. Die Mädchen und jungen Frauen lüfteten ihre Schleier, wie die jungfräuliche Braut in der Hochzeitsnacht, doch ihre betörenden, lidschattenbetonten Augen und verlockende Lippen versprachen alles andere als Scheu und Keuschheit. Azina schien es stets so einzurichten, dass sie zumeist direkt vor den Gefährten tanzte, doch selbst wenn der Tanz sie ans andere Ende des Saales führte, meinte manch einer von ihnen zu glauben, ihr fordernder Blick galt allein ihm.
  „Ist das der Wein oder hat es diese Augenweide von Frau auf mich abgesehen?“, erkundigte sich Adriego beschwipst bei Ramon.
  Der Alkohol und das Mittelchen Eleons hatten die Zunge des Südländers enthemmt und seine Schmerzen verdrängt. Vergnügt schaute er den Tänzerinnen zu und gluckste begeistert zur Antwort: „Beides, Adriego, bei Tsa und Rahja, beides!“ Dann klatschte er nach heimatlicher Art im Takt mit, stand kurz darauf auf und tanzte auf der Stelle mit.
  […]Normalerweise hätte sich Adriego sicherlich über das plötzlich äußerst merkwürdige Verhalten der Gefährten gewundert, und im Hinblick auf Jolinar wohl angemerkt, dass ein gutes Aussehen noch lange keine gute Tänzerin machte, doch seine Augen lagen ganz woanders. Schon ohne Alkohol ließ er es sich selten nehmen, eine schöne Frau zu betrachten. Mit Alkohol tat er es so gut wie immer, unter Einfluss von Rahja gefälligen Kräutern und dem Tanz einer Sharisad vor seinen Augen allerdings war es dem temperamentvollen Almadaner gänzlich unmöglich, auch nur an irgendetwas anderes zu denken als das, was sich ihm soeben für ein Schauspiel bot. Es war schwer zu sagen, ob er Azina tanzend oder ihm zu Füßen liegend erotischer fand, so dass er sich nur mit Mühe zurückhalten konnte. Das brennende Verlangen, gegen diesen letzten Rest von Selbstdisziplin zu verstoßen, war ihm aber mehr als deutlich ins Gesicht geschrieben, denn beide tauschten immer wieder elektrisierende Blicke aus, wenn der Tanz sie in seine Nähe führte.
  Er nahm noch einen tiefen Zug aus der mit Kirschtabak gefüllten Wasserpfeife, die er seit einer Weile rauchte, legte dann den Zeigefinger an die Oberlippe und krümmte diese dadurch leicht. Aus seinem Mund flog ihr ein Herz entgegen, ein aus weißem Rauch bestehendes, langsam größer werdendes und schließlich entschwindendes Herz. Dazu zeigte er sein sympathischstes Grinsen und Azina schenkte ihm ein äußerst charmantes Lächeln mit einem verheißungsvolles Funkeln ihrer lidschattenumrandeten Augen.
  […]Der Sewerier winkte sein Geschenk mit ausdrucksloser Miene beiseite, denn offensichtlich stand dieser ihm beim Blick zu den Gefährten und in den Saal im Weg. Diese beglückten gerade Azina und ihre Tänzerinnen mit ihrer Anwesenheit, als sie sich zu ihnen an den Tisch begaben. Die Vortänzerin der novadischen Mädchen setzte sich zu Adriego und begann sofort, ihn flirtend mit Weintrauben zu füttern. Zwei der luftig bekleideten jungen Damen gesellten sich hingegen zu Firutin und Eleon, deren Aufmerksamkeit von den Geschehnissen an der Ehrentafel sogleich auf viel greifbarere Aspekte des Fests gelenkt wurde. Auch Ramon hatte eine der Tänzerinnen in einem bauchfreien gelben Gewand mit herrlich-braunen Augen auf seinem Schoß und flirtete gerade intensiv mit der tulamidischen Schönheit.
  „Er wird ihn freilassen, Eleon.“, bekräftigte Sumudan nach längerem Schweigen. „Dragomir weiß nur zu gut, dass man Geschöpfe der göttlichen Zwillinge nicht versklaven darf. Aber nun haben wir genug Trübsal verbreitet. Lasst uns die Schönheit preisen!“
  „Gewiss, doch wenn er dem Kalifen nicht vor den Kopf stoßen will, dann macht er dies erst, wenn wir aus dem Saal hier raus sind.“, antwortete Firutin grinsend und reichte drückte ihm wieder das Mundstück seiner Wasserpfeife in die Hand.
  Selbst der Maraskaner konnte sich nun ein Lächeln nicht mehr verkneifen und deutete nach einem kräftigen Zug hinüber zu Jalessa und Xardan, die sich immer näher kamen. Mittlerweile saß die junge Draconiterin auf dem Schoß des Magiers und kraulte ihm voller Hingabe den Nacken, als er von den Hesinde gefälligen Bibliotheken Kusliks erzählte. Punin hatte sie für den Moment ganz vergessen, daher bekam sie auch nicht mit, dass sich wenige Schritte neben ihr zwei findige Zungen um eine Weintraube balgten und eine Hand Adriegos dort verschwand, wo in ihrem Weltbild für gewöhnlich zumeist Neugeborene Geborgenheit und Wärme fanden.
  […]Im Saal stellte Azina ihrem Favoriten immer neue Fragen zu Almada und seiner Lebensart, die er etwas prahlerisch, aber nicht zu ausführlich beantwortete, um sie schließlich schmunzelnd zu fragen: „Was macht Ihr eigentlich die ganze Zeit mit einem Sohn der Voreiligkeit und der Schwäche?“
  „Ich suche den Mut in seinem Herzen und seine Kraft zwischen den Lenden.", entgegnete sie verschwörerisch und streichelte Adriego über die Brust. In ihrem glutvollen Blick konnte man fast schon verbrennen.
  „Achso, seinen Mut sucht Ihr?“, grinste der Schwertgeselle anzüglich. „Dann solltet Ihr wissen, dass Anstand nicht Schüchternheit bedeuten muss!“ Mit diesen Worten richtete er sich auf, nahm Azinas Kopf in seine Hände und überfiel sie mit einem leidenschaftlichen, nicht enden wollenden Kuss, während er mit seinen Händen zärtlich über ihren Rücken streichelte. „Ich bin bereit dir zu zeigen, dass meine Kraft sich nicht nur auf dem Schlachtfeld ausdrücken kann!“, löste er schließlich doch seine Lippen von den ihren und nahm sie mit sich auf den Weg zu seinem Zimmer.