Kapitel 4, Eleon trifft auf Sumudan und Feylia

Aus nv-wiki.de
Zur Navigation springen Zur Suche springen
  Gelegentlich warf der Ritter auch einen Blick auf den Kai, um zu schauen, ob die noch fehlenden Gefährten endlich den Weg zur „Trutz“ finden würden. Sein geschulter Blick entdeckte alsbald Eleon, Numba und Sedrox, die gerade im alltäglichen Marktgetümmel auftauchten und direkt auf die wartende Schivone zuhielten. Während die beiden Krieger bester Laune zu sein schienen, wirkte der Gelehrte übernächtigt und schaute immer wieder über seine Schulter zurück in Richtung Markt.
  „Endlich wieder zurück auf dem Schiff!“, freute sich Numba, als das Trio die Planken an Deck erklomm und warf einen spitzbübischen Seitenblick auf Sedrox.
  Doch der Zwerg hatte offensichtlich seinen Frieden mit der Schifffahrt gemacht und antwortete lächelnd: „In der Tat, wie habe ich es nur fast zwei Tage ohne aushalten können?“
  Beide waren so in ihre Unterhaltung vertieft, dass sie Sumudan links liegen ließen und sich unter Deck begaben, wo sie ihr Gepäck verstauten. Eleon hingegen blieb an Deck und schien an der Steuerbordreling Ausschau nach irgendwem oder irgendwas zu halten. Als sich das Menschenknäuel um den Maraskaner nach einigen Minuten auflöste, nickte der Gelehrte dem Neuen freundlich zu und entschloss sich dann, zu ihm hinüberzugehen.
  „Seid gegrüßt, Eleon mein Name. Sagt, kommt Ihr etwa vom Ziel unserer Reise?“, begrüßte er den Neuzugang ihrer Gemeinschaft an Bord.
  „Freut mich, Euch kennenzulernen! Nein, ich stamme aus Sinoda, dem freiheitsliebenden Teil Maraskans. Das Ziel der Fahrt liegt meines Wissens nach weiter im Süden!“
  „Ah, dann seid Ihr ein Landsmann von Numba! Das wird ihn sicherlich freuen. Schaut, dort hinten ist er.“, wies Eleon Sumudan auf seinen Gefährten hin, der mittlerweile wieder an Deck war und mit Sedrox bei den Rotzen am Bug stand. Ambrolosch und Arbrax leisteten den beiden Gesellschaft und sie diskutierten lebhaft über den Sinn verschiedener Munitionsarten für die zahlreichen Geschütze der Schivone.
  „Wollen wir uns einmal dem Neuen vorstellen? Er scheint ein Landsmann von dir zu sein.“ Sedrox stupste Numba an, als sein Blick ungehindert durch die arbeitende Besatzung auf Sumudan und Eleon fiel.
  „Ja, das ist eine gute Idee. Ich wusste nicht, dass er ein Landsmann von mir ist. Ich habe nur seine Haare über den Köpfen der Anderen gesehen.“, antwortete Numba und ein erwartungsvoller, gespannter Blick begleitete ihren Weg Richtung Fallreep.
  „Seid gegrüßt, mein Name ist Sedrox, Sohn des Sertox.“, stellte sich der Zwerg höflich vor.
  „Und ich bin Numba Gelimma.“, fügte der junge Krieger schüchtern an, denn der Neuankömmling strahlte eine natürliche Autorität aus und wirkte im Gegensatz zu ihm sehr erfahren.
  „Man nennt mich Sumudan. Sumudan von Sinoda, Bruder Zwerg.“, erwiderte der Maraskaner höflich und verbeugte sich vor Sedrox. „Und Ihr, Numba, seid auch von der prächtigsten aller Inseln? Sagt, woher genau? Und was führt Euch hierher auf dieses Schiff?“ Eleon fiel auf, dass Sumudan auf seinen Landsmann nicht unfreundlich, aber vorsichtig und zurückhaltend reagierte.
  „Ja, ich komme auch von Deres schönster Insel!“, erwiderte Numba vorsichtig, als er die überraschende und unerwartete Reserviertheit ihres neuen Gefährten bemerkte. „Ich stamme aus dem nördlichen Maraskan, aber keine Sorge: Ich war seit Jahren nicht daheim, sondern reiste mit meinem Lehrmeister durch das Mittelreich. Wenn Ihr wollt, können wir uns gerne später in Ruhe über unsere Heimat unterhalten.“
  Sumudans skeptischer Gesichtsausdruck entspannte sich spürbar und mit einem milden Lächeln antwortete er: „Das werden wir, Bruder! Preiset die Schönheit!“ Der maraskanische Freiheitskämpfer nahm sein Gepäck auf und nickte zum Abschied freundlich in die kleine Runde. Gerade als er unter Deck gehen wollte, hielt er stutzend inne und erklomm stattdessen die Treppe zur Brücke, wo Rondrik und Dragomir bei Kapitän Borsoj standen. „Verzeiht, doch wo finde ich mein Quartier?“, erkundigte sich Sumudan bei seinem alten Kampfgefährten.
  „Ich schlage vor, Ihr schlaft in unserer Kabine“, der Ritter wies zunächst auf sich, dann auf Rondrik, „oder in der Koje, die Jurge… seine Gnaden Sturmfels, freigemacht hat. Das wäre allerdings in einem Raum mit Seiner Gnaden Praiadan und Bruder Firutin.“
  Mit einem sarkastischen Lächeln antwortete der Maraskaner spitz: „Aber mein Freund! Das können wir unserem Praios beflissenen Kameraden nicht antun, oder? Ich teile liebend gerne mit Euch und dem hohen Herrn Rondrik das Schlafgemach, wenn es recht ist?“
  Dragomir nickte amüsiert und auch der Prätor musste grinsen. „Selbstverständlich dürft Ihr mit uns die Kabine teilen, Sumudan. Kabine Nummer sechs. Das mittlere Bett ist noch frei.“
  Sumudan war hoch erfreut über seine Unterbringung und nickte dem Rondrageweihten erleichtert zu. „Danke, Hoher Herr!“ Dann zog er sich zurück und begab sich in seine zugewiesene Unterkunft, wo er seine umfangreiche Ausrüstung verstaute und kurze Zeit später wieder für einen kleinen Rundgang über das Schiff an Deck erschien.
  Unterdessen wurde das ungeduldige Warten von Eleon beendet, als eine grazile und zierliche junge Dame mit spitzen Ohren auf dem Pier erschien und nach kurzem Winken ziemlich atemlos an Bord kam.
  Mit einem Schmunzeln trat der Gelehrte auf die hübsche Elfe zu und begrüßte sie: „Wer hat Euch denn so den Kopf verdreht, dass Ihr den Weg zu mir vergessen konntet?“ Doch dann besann er sich, blickte vorsichtig zur Brücke hinauf, wo die Blicke von Borsoj, Rondrik und Dragomir auf ihnen ruhten, und sprach beschwörend auf die junge Dame ein: „Hör zu, meine Liebe. Dort oben sind wichtige Herren beim Gespräch. Auch wenn dir die Inhalte unsinnig oder gar langweilig erscheinen, so bitte ich Dich, sie als gute Bekannte zu betrachten und zu behandeln.“
  Seine alte Bekannte lächelte unschuldig und ein Grinsen umspielte seine Lippen. „Na los, ich mache Euch bekannt.“, schlug Eleon vor und nahm die Elfe eifrig bei der Hand.
  „Entschuldige vielmals, wie konnte ich nur verschlafen und Dich so lange hier warten lassen.“ Mit einem unschuldigen und liebenswürdigen Augenaufschlag folgte sie dem Gelehrten auf die Brücke.
  Dort ruhte Dragomirs kühler Blick auf dem unerwarteten und unangekündigten Besuch. „Ist die Mannschaft komplett an Bord, Herr Kapitän?“, erkundigte er sich mit einem Seitenblick bei Borsoj.
  „Ja, Ritter Dragomir, die Mannschaft ist vollzählig an Bord und das Schiff ist klar zum Auslaufen.“
  Der bornische Hauptmann nickte lediglich anerkennend, als Eleon und seine Begleiterin vor ihm zu stehen kamen. Sämtliche Augen an Bord waren nun interessiert auf die Brücke gerichtet, die Arbeit an Deck kam vollständig zum Erliegen.
  Der Gelehrte atmete tief ein. „Wenn ich kurz sprechen darf.“, wandte er sich direkt an Dragomir. „Ich habe hier in Perricum eine alte Bekannte wiedergetroffen, die sich für unsere Sache begeistert. Was haltet Ihr von einer zusätzlichen Verstärkung, da uns ja auch erst vor kurzem ein paar Mitstreiterinnen verlassen haben?“ Nach einer kurzen Pause fuhr er fort, mit einem Lächeln auf seine Begleiterin deutend: „Ihr Name ist Feylia und ich spreche mich für sie aus.“
  Dragomirs Blick wanderte von Eleon zur Elfe, dann zur tief stehenden Sonne und schließlich über die an Deck befindlichen Gefährten. Seine Miene verfinsterte sich, als er zum wiederholten Mal die aktuelle Zahl seiner Mitstreiter ermittelte. Ohne sich umzudrehen, richtete er das Wort ruhig, aber bestimmt erneut an den Kommandanten: „Kapitän Borsoj, macht das Schiff klar zum Auslaufen. In einer Viertelstunde stechen wir in See.“
  Laute Anweisungen von Leutnant Woronjew folgten einem Wink Borsojs, als sich Dragomir an Feylia wandte: „Eine Vertreterin des Elfenvolkes in unseren Reihen zu wissen, erfreut mich.“ Der Tonfall des Ritters war ungewohnt sanft. Dann sah er ihr direkt in die Augen und stellte sich auf Isdira vor, die Stimme kaum mehr als ein gehauchtes Flüstern.
  „Mir scheint, unsere Gemeinschaft wird immer illustrer.“, merkte Rondrik an. „Willkommen an Bord, meine Teuerste.“
  Eleon schaute erfreut zu Feylia hinüber und mit einer Kopfbewegung wies er ihr den Weg zu den Kabinen. „Komm! Nachdem das geklärt ist, bringen wir Dein Gepäck unter Deck und Dich ins Warme.“ Erst jetzt fiel ihm auf, wie leicht seine alte Bekannte trotz der noch ziemlich niedrigen Temperaturen bekleidet war, doch ihr schien das nichts auszumachen. „Wo kann Feylia übernachten, Hochgeboren?“, wandte sich Eleon an Dragomir.
  „Da Frau Rand offensichtlich nicht die Güte hat, uns weiter zu begleiten, ist für unsere neue Begleiterin eine ganze Kabine frei.“, entgegnete der Ritter schmunzelnd, wobei ein genervter Unterton an Gewicht gewann und sich dann vollends durchbrach: „Bleibt nur zu hoffen, dass Herr Orthogez bald erscheint.“ Kaum verhohlene Unzufriedenheit über die Unpünktlichkeit der beiden Gefährten verdüsterte nun die Miene des Anführers der Mission.
  Unter Deck zeigte Eleon Feylia ihre Kabine. „Würdest Du mich kurz entschuldigen? Ich würde nur gerne kurz nach meinen Sachen sehen wollen.“ Dann fügte er flüsternd in ihrer Sprache hinzu: „Versuch bitte sehr höflich zu sein, denn diese Männer sind zumeist etwas stolz und tragen große Titel. Es wäre schade, wenn sie Dich als respektlos ansehen würden. Nach meiner Erinnerung reist auch noch ein Vertreter Deines Volkes mit uns, Jobdan. Du bist hier nicht allein, Feylia.“ Der Gelehrte streichelte ihr freundschaftlich – oder war da mehr? – über ihren linken Arm und schaute dann in seiner Kabine nach dem rechten.
  Eleon hatte Feylia eine ganze Weile von der Reling aus beobachtet. Ihr umwerfender Anblick ließ ihn abwechselnd lächeln oder mit düsterer Miene auf das Meer starren, wenn er die begehrlichen Blicke von Jobdan oder Curthan bemerkte. War er eifersüchtig? Es gab eine Zeit, da meinte er die junge Elfe geliebt zu haben. Doch seine Gefühle wurden damals nicht erwidert, wahrscheinlich waren sie beide seinerzeit einfach zu jung, um sich ihrer Gefühle bewusst zu sein. Zudem trennten sich ihre Wege sehr bald und Eleon begegnete Maia – aber das war eine andere Geschichte. Jedoch verkomplizierte Feylia mit Sicherheit seine gegenwärtige Lage an Bord. Nachdenklich beobachtete der Gelehrte, wie nun auch Numba mit geröteten Backen bei ihr vorstellig wurde. Doch nach einem kurzen Wortwechsel wandte sich die Elfe ab und kam auf ihn zu.
  „Guten Abend, Eleon. Wie wäre es, wenn wir zusammen in die Kombüse gehen und etwas essen? Ich bekomme langsam Hunger und möchte nicht alleine an Bord herumgehen. Wie du sicher mitbekommen hast, hegen die Matrosen Vorurteile gegenüber Jobdan und mir.“ Traurigkeit mischte sich in ihr freundliches Lächeln und Mitleid verdrängte Eleons trübe Gedanken.
  „Aber natürlich, teure Freundin. Ich war gerade so in Gedanken, dass ich glatt von Dir an meinen ebenfalls knurrenden Magen erinnert werden musste.“ Der Gelehrte reichte der Elfe freundschaftlich seine Hand und Feylia ergriff sie dankbar. „Du hast ja schon erste Bekanntschaften geschlossen. Ich bin froh, Dich auf dieser Reise an meiner Seite zu wissen.“, fügte er noch hinzu und meinte es auch so. Kurz vor dem Durchgang zur Kombüse verharrten beide plötzlich, als ein eindringliches Trommelsignal die gesamte Besatzung der Schivone an Deck rief.