Kapitel 7, Eleon und Jolinar in Unau

Aus nv-wiki.de
Version vom 4. Oktober 2019, 20:21 Uhr von Connar (Diskussion | Beiträge) (Die Seite wurde neu angelegt: „ Eleon schlief derweil noch immer zufrieden und ungeachtet der hektischen Betriebsamkeit um ihn herum im Garten unter seinem mittlerweile liebgewonnenen Baum…“)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen
  Eleon schlief derweil noch immer zufrieden und ungeachtet der hektischen Betriebsamkeit um ihn herum im Garten unter seinem mittlerweile liebgewonnenen Baum. Auch wenn es den fleißigen Gärtnern und über die Wege eilenden Bediensteten komisch vorkommen dürfte, dass dieser Faulpelz aus dem Norden selbst kurz vor dem Mittagessen noch im Schatten der mächtigen Palme ruhte, so scherte das den Druiden nicht im geringsten. Neben sich auf der Wiese stand seine am Morgen neu erworbene Wasserpfeife, die er einfach sofort ausprobieren musste und die Dosis der eigentümlichen Kräuter, die er ebenfalls auf dem Markt erstanden hatte, war vielleicht eine Spur zu stark gewesen. Doch das störte ihn in den kurzen Phasen der Wachheit ebenfalls nicht, denn seine intensiven und farbenprächtigen Träume waren eine lang ersehnte Ablenkung vom mittlerweile enervierenden Debattieren und Planen im Kreise der Gefährten.
  So genoss er die herrliche Entspannung und war seinem Seelenheil wieder einen Schritt näher, als Jolinar an seiner Ruhestätte vorbeikam. Nazir war nach dem Frühstück mit dem Kopf auf dem Tisch eingeschlafen und hatte sich auch nicht wecken lassen, als sie mit ihrem neuen Begleiter vor einigen Minuten abermals vorbeigeschaut hatte. Sie bereute mittlerweile, ihrem Freund den novadischen Fusel gekauft zu haben, denn seit der Al’Anfaner die Flasche in der Nacht vollständig geleert hatte, war er nur noch zu dümmlichen Diskussionen über Eichhörnchenbraten und Alkohol in der Lage. Der kleine putzige Nager hatte sie mit seiner Unbekümmertheit gerade noch vor einem erneuten Wutanfall bewahrt und sie hatte ihren Freund einfach weiter vor sich hin dösen lassen. Neugierig betrachtete sie das komische Ding an Eleons Seite und blieb stehen, um die blubbernden Blasen in der rundlichen Flasche zu beobachten. Aber warum sollte sie ausgerechnet den eigentümlichen Druiden wecken? Nein, so langweilig war ihr nun auch wieder nicht. Aber wenn die Praiosscheibe noch weiter wanderte, dann würde er wahrscheinlich einen Sonnenstich bekommen, dachte sie sich. Aber was geht mich das an? Sie wollte schon gerade gehen, da hielt sie eine innere Stimme zurück. Die junge Hexe konnte nicht sagen, ob es die Neugier auf das merkwürdig blubbernde Ding neben Eleon war oder nicht ehrlich eingestandene Fürsorge, doch sie trat zu ihm in den Schatten der Palme und stupste ihn vorsichtig mit dem Fuß an. „Ihr solltet hier draußen nicht schlafen, wenn es so heiß ist!“, mahnte sie ihn nicht unfreundlich, als der Gelehrte sich im Halbschlaf räkelte.
  „Danke für den Hinweis, ich werde einfach den Baum verrücken, dann wandert der Schatten mit mir.“, nuschelte er kaum vernehmbar und Jolinar wurde aus seinen Worten nicht so recht schlau. Daher fasste sie ihn entschlossen an der Schulter und rüttelte ihn mit zunehmender Intensität. Verschlafen blinzelte Eleon in das grelle Licht der Praiosscheibe und konnte Jolinar zunächst kaum erkennen. Doch dann lächelte er und erhob sich gähnend. Nach einigem Strecken und Dehnen schien er wieder der Alte zu sein und wandte sich seiner Besucherin zu, die während der ganzen Aufwachprozedur wie vergessen und nicht abgeholt neben ihm warten musste. „Schön, dass Ihr mich geweckt habt.“, gähnte er den letzten Schlaf weg. „Wollte eigentlich nur kurz ausspannen und bin dabei wohl eingenickt. Der Trubel auf dem Markt war wohl zu anstrengend für mich, aber ich konnte dieses edle Teil hier erstehen.“ Grinsend deutete er auf die Wasserpfeife, griff nach dem Mundstück und zog kräftig Rauch ein. „Ich habe auf dem Markt Etwas gefunden, dass solltet Ihr Euch ansehen.“, meinte er einladend, nahm seine neueste Errungenschaft auf und ging der jungen Hexe voran zurück zum Gästeflügel.
  Jolinar zuckte lediglich mit den Schultern, denn sie wäre ohnehin zurück in den Palast gegangen. An der offenen Tür zu Firutins Kammer blieben die beiden stehen und warfen einen fragenden Blick auf das Trümmerfeld im Inneren des Raums. „Ich glaub ich geh dann mal besser.“, deutete seine Gefährtin schüchtern über die Schulter in den Gang und verschwand kurz darauf in ihrem Zimmer. Natürlich war sie neugierig, doch dort waren eindeutig zu viele Menschen, die sie nicht mochte an einer ziemlich rätselhaften und suspekten Aktion beteiligt.
  Eleons Blick verharrte etwas länger auf der merkwürdigen Szenerie, doch er konnte aus dem Gesprochenen kaum Erhellendes ableiten. Stattdessen nahm er stirnrunzelnd zur Kenntnis, dass schon wieder ein Mitglied der Gemeinschaft im Mittelpunkt des herrschaftlichen Argwohns stand, diesmal sogar ein recht angesehenes. Er lauschte noch einige Augenblicke, doch als sich Sumudan mit einem freundschaftlichen Klaps auf seine Schulter an ihm vorbeischob und auch noch in das volle Zimmer drängte, schüttelte der Druide den Kopf und folgte Jolinar. Er erwischte die junge Hexe gerade noch an ihrer offenen Zimmertür. „Entschuldigt, ich hatte Euch doch noch etwas versprochen.“, erinnerte er sie lächelnd und deutete auf seine eigene Kammer, die wenige Schritte weiter den Gang hinunter lag. Sie haderte kurz mit sich, folgte ihm dann jedoch erneut, ohne genau zu wissen warum.
  „Ähm, also heute Morgen auf dem Markt.“, versuchte sich der Gelehrte an einer Erklärung, als sie in seiner Kammer standen. „Nein, ich beginne besser anders. Als unsere Gruppen einander in der kleinen Novadisiedlung begegneten, war die Luft erfüllt von Niedertracht und Missgunst, Stolz und Unverständnis. Leider zeigt sich hier im Augenblick das gleiche Bild.“ Er deutete mit der rechten Hand grob in die Richtung, in der Firutin gerade weshalb auch immer von der Führungsriege ihrer Unternehmung bedrängt wurde. „Ich weiß nicht, was für ein Bild Ihr von mir habt, doch ich habe kein schlechtes von Euch, Jolinar. Wir sind in der kommenden Schlacht mehr als sonst auf unsere Gemeinschaft angewiesen und ich befürchte, dass wir diesen Konflikt nicht überleben, wenn wir uns weiter gegenseitig zerfleischen. Ihr habt bei Anna sehen können, was ich meine. Jedenfalls möchte ich Euch sagen, dass Ihr hier auch von Menschen umgeben seid, die Euch nicht ablehnen oder anfeinden, dafür wer oder was Ihr seid und woher Ihr kommt.“
  Er griff in seine Tasche auf der Kommode und kramte kurz darin herum. „Also, heute auf dem Markt, da fand ich dies.“ Er hielt einen kleinen Anhänger aus Silber in der Hand, der zwar schlicht und klein schien, doch für den interessierten Betrachter mit etwas Phantasie einen Baum und den aufgehenden Mond darüber darstellte. Auch das Silber, welches das Licht des Madamals repräsentierte, unterstrich die Interpretation, es handelte sich hierbei um den weiblichen Aspekt der Natur. Dieses Sinnbild aber war durch die wild geschwungenen Äste des Baumes nicht auf dem ersten Blick zu erkennen. Gehalten wurde der kleine Anhänger von einem dunkelbraunen Lederband. Eleon legte es vorsichtig in ihre Hände und hoffte, in ihrem Blick nicht nur Erstaunen zu erkennen. „Ich hatte das Bedürfnis, es für Euch mitnehmen zu müssen, und möchte Euch nun bitten, es als Zeichen der Freundschaft und ähnlicher Weltanschauungen zu tragen.“
  Jolinar schaute verwirrt und überrascht auf das kleine Schmuckstück in ihren Händen. „Ihr hättet mir kein Geschenk machen müssen.“, lächelte sie den Druiden nach einigen Augenblicken scheu an. „Aber Ihr habt insofern Recht, dass ich bisher eine andere Meinung von Euch hatte. Vor allem deshalb, weil ich auch ein anderes Bild von Anna hatte.“ Das Lächeln auf ihren Lippen verschwand kurz und machte einer grimmigen Miene Platz, doch dann überwog rasch wieder ihre Freude über das Geschenk. „Leider habe ich kein Freundschaftsgeschenk für Euch, aber ich nehme das Eure sehr gerne an.“
  „Oh, ich kann mir denken, mit welchen Worten Anna mich beschrieben hat und warum. Aber man sollte nicht jedes Wort überbewerten, was leichtfertig gesprochen wird.“, bemerkte Eleon mit einem freundlichen Schmunzeln.
  „Nein, sie hat nichts über Euch gesagt.“, wiegelte sie rasch ab, um keine Unwahrheiten zwischen sich und ihn zu bringen. „Aber in dieser Oase hatte ich den Eindruck, dass Ihr nicht sonderlich viel von Ihr haltet. Ich dachte da doch noch, Anna wären eine Schwester Satuarias und ich daher naturgemäß auf ihrer Seite.“
  „Einfach mal aus dem Wald und über das Tal hinwegschauen, in dem man sich so bequem eingenistet hat, dass sollten wir wahrlich alle, meint Ihr nicht auch? Aber egal, welchen Spitzfindigkeiten die Herrschaften gerade wieder hinterher hetzen, wir sollten uns die wenigen Freuden des Lebens davon nicht verderben lassen. Ich jedenfalls möchte nicht mit leerem Magen sterben. Begleitet Ihr mich zu Tisch?“ Er reichte Jolinar seinen Arm, wartete jedoch noch einen Moment, während sie sich das Kettchen umlegte. Schließlich hakte sie sich schüchtern ein und gemeinsam gingen sie zurück zum Pavillon. Aber auf einem anderen Weg, um nicht wieder an Firutins Zimmer vorbei zu müssen.