Kapitel 7, Anna und Dragomir in der Khom

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  Unter dem Sonnenzelt unterzeichnete Dragomir derweil nach mehrmaligen Studium voller Zufriedenheit das Schreiben an den Kalifen und siegelte das kleingefaltete Papier mit seinem Ring. Jalessa und Ramon hatten sich in ihre Zelte begeben, Jolinar war ebenfalls verschwunden. Doch der Freiherr blieb nicht lange alleine. „Ihr solltet Euch nicht so anschleichen, Frau Rand.“, bemerkte er halb ernst, halb im Spaß, als Anna ihre Hände auf seine Schultern legte. „Feige?“
  „Ich kann die Dinger schon nicht mehr sehen.“, lehnte die attraktive Magierin sein wohlmeinendes Angebot ab, begann jedoch sogleich, sanft seine Schultern zu massieren. Sie hatte sich gewaschen, die Augenbrauen gezupft, einen Rahja gefälligen Duft aufgetragen und trug ein dünnes, atemberaubendes Kleid, das ihn an reife aranische Kirschen erinnerte. „Eigentlich wollte ich Euch nur mitteilen, dass ich mich heute Nacht nach Unau aufmachen werde.“, raunte sie Dragomir zu und drückte eine Spur fester zu.
  „Ah, das tut gut.“, genoss Dragomir die zarten Finger auf seinem Rücken und schob sich genießerisch die verschmähte Feige in den Mund. „Danke, dass Ihr es mir sagt. Warum wollt Ihr unbedingt geh... fliegen?“
  Annas Finger wanderten nach außen und verwöhnten nun seine angespannten Schultern. „Warum? Ich stinke nach Kamel, mir schmerzt der Rücken und mein Hintern will so schnell keinen Sattel mehr sehen.“, bekannte sie offen und fügte nach einer kurzen Pause beiläufig hinzu: „Außerdem würde ich gerne wissen, was Ihr mit Jolinar beredet habt.“ Ihre Hände fuhren sachte an seiner Wirbelsäule entlang, den Rücken herunter und wieder hinauf.
  Dragomir zeigte sich jedoch unbeeindruckt: „Ja, ein Bad würde jedem von uns gut tun. Obwohl ich denke, dass der Duft von Badeöl das Anschleichen ebenso erschwert wie der Kamelgeruch.“, fügte er sinnierend hinzu. „Ich verstehe allerdings nicht, warum Euch alles schmerzt. Ein Kamelsattel muss im Vergleich zu einem Besenstiel doch ein Sessel sein.“ Er schien die Frage ernst zu meinen, trotz des Schmunzelns, das seine Mundwinkel umspielte. Als er Anna über die Schulter ansah, blitzte tatsächlich Interesse in seinen Augen auf. Allerdings war er sich nicht sicher, ob Anna ihn mit Magie oder ihren weiblichen Reizen bezaubern wollte. „Was Jolinar angeht, müsst Ihr sie selbst fragen. Habt Ihr das noch nicht getan?“, fragte er mit gespielter Verwunderung und Anna zog ihre Hände verärgert aus seinem Lendenwirbelbereich zurück.
  „Ich will keine Ausflüchte hören, sondern erfahren, worum es in eurer Unterhaltung ging. Sie hatte ungewöhnlich gerötete Augen, so als ob sie geweint hätte.“, konnte die hübsche Hexe ihre Neugier nicht länger im Zaum halten.
  „Ausflüchte? Bin ich Euch etwa Rechenschaft schuldig?“, entgegnete Dragomir ernst und mit zusammengezogenen Brauen. „Zum einen kann ich Euch, unabhängig des Gesprächsinhaltes, nicht erzählen, worum es ging, wenn sie es nicht getan hat. Und selbst dann müsste ich es nicht tun. Zum anderen wüsste ich gerne, was Euch meine Unterhaltungen angehen.“ Der Freiherr blieb äußerlich ruhig, doch seine Stimme fand wieder zurück in die gewohnt kühle und distanzierte Tonlage. Unvermittelt stand er auf und blickte Anna forschend in die herrlich-grünen Augen: „Vielmehr wüsste ich gerne, warum Euch das interessiert, warum Ihr mich fragt und nicht Jolinar selbst? Hat sie Euch etwa nicht geantwortet? Dann wird sie wohl ihre Gründe haben.“
  Ohne eine Antwort abzuwarten, ging er einige Schritte zum Lagerfeuer und griff sich weitere Feigen aus einer verlassenen Schüssel neben dem Wein. Er warf eine hoch, schnappte sie gekonnt mit dem Mund und, nachdem er sie geschluckt hatte, richtete er das Wort erneut an Anna, die ihm gefolgt war: „Sagt, Frau Rand, könnt Ihr eigentlich einen Passagier auf Eurem Stab mitnehmen?“
  „Rechenschaft seid Ihr mir nicht schuldig.“, versuchte die junge Rothaarige nun, den Ritter mit einem lustverheißenden Tonfall zu betören. „Doch Ihr könnt mir Euren guten Willen zeigen.“ Mit leicht zum Kussmund geöffneten Lippen schaute sie zu Dragomir auf, direkt in seine graublauen Augen.
  Doch der Freiherr zog vorsichtig eine Augenbraue hoch und verschränkte die Arme hinter seinem Rücken. „Ich habe gefragt, ob Ihr einen Passagier auf Eurem Stab mitnehmen könnt, nicht umgekehrt...“, bemerkte er trocken, unterbrach sich jedoch selbst und schaute sich forschend im Lager um. „Apropos Stäbe, hört Ihr das auch?“ Erneut ließ er sie ohne eine Antwort stehen und wandte sich den Geräuschen zu, drehte sich dabei jedoch noch einmal kurz zu ihr um: „Ich habe Euch bereits mehrmals meinen guten Willen gezeigt, nun seid Ihr an der Reihe.“
  Anna folgte ihm diesmal nicht, sondern rümpfte stattdessen die Nase über das eingebildete und arrogante Verhalten des verfluchten Provinzritters. Sie schnappte sich noch einen herumliegenden, noch gut gefüllten Wasserschlauch, nahm ihren Stab zur Hand und verließ das Lager in Richtung Wüste.
  Dragomir wäre ohnehin an Ramons Zelt vorbeigekommen und nutzte die Gelegenheit, um nach ihm zu sehen. „Geht es Dir besser?“, erkundigte er sich leise, als der Südländer auf sein Schütteln und Rütteln hin endlich aufgewacht war. Schlaftrunken antwortete dieser: „Wird schon. Zu wenig Schlaf, zu viel Sand im Hals. Was ist los?“
  „Behalte bitte Anna im Auge. Sie will nach Unau fliegen, weil sie nach Kamel riecht.“, frotzelte der Freiherr. „Wenn sie unbedingt fliegen will, bitte. Aber sie soll wenigstens warten, bis Feylia zurückkommt oder eben nicht zurückkehrt. Einverstanden?“