Kapitel 3, Adriego in Notmark
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Während seine beiden früheren Reisegefährten mit Galgenhumor auf die ungünstige Lage reagierten, machte sich Adriego langsam im Rücken der Gefangenen in Richtung Ausrüstung davon. Im Zentrum des Burghofes trat nun ihr einheimischer Begleiter vor den Burgherrn. „Alderich von Notmark, ich grüße Euch! Mein Name ist Adeptus Agum Matra, freier Bürger der Stadt Notmark. Dürfte ich erfahren, warum Ihr freie Bürger Aventuriens ihrer Freiheit beraubt?“ „Adeptus!“, gaukelte der Graf ein Wiedererkennen vor. „Willkommen daheim! Aber seid doch nicht so pathetisch. Wir brauchen euch nun einmal und von alleine wärt ihr alle nicht hier, da hätte Firunwald schon für gesorgt! Seid euch dessen stets bewusst.“ Seine dunklen Augen fixierten Adriego just in dem Moment, in dem dieser seine Waffen ergriff. Nur ein schneller Wink Alderichs verhinderte, dass die tödlichen Bolzen der Wachen abgefeuert wurden. Belustigt musterte er den Almadaner. „Mutig, mutig! Das muss ich Euch lassen! Aber nun legt die Waffen bitte wieder weg, das ist gesünder für Euch!“ Der Graf gestikulierte kurz in die Richtung des Haufens und schon machten sich drei Söldlinge daran, die Ausrüstung der Gefangenen wegzuräumen. „Bereitet es Euch, der uns überfallen lassen und wie Vieh in einer Kutsche gehalten hat, Freude, uns im Ungewissen darüber zu halten, was der ganze Trubel soll?“ Der Schwertgeselle legte so viel Gift in seine Worte, wie er nur konnte. Nach einem Seitenblick auf Anna fuhr er fort: „Nun, was das Quartier betrifft, so habe ich in etwa ähnliche Anforderungen wie die junge Dame. Vielleicht gebt Ihr uns das gleiche Zimmer?“ Adriego lachte irre. „Also ich wäre dann dafür, dass wir alle erst einmal unsere Sachen auf unsere Zimmer bringen und danach erklärt Ihr uns in Ruhe, was Ihr von uns erwartet.“ Mit einem ironischen Blick zu Alderich vollführte der Almadaner einen Kratzfuß. Xardan wiederum trat vor und stellte sich neben seinen Gefährten. Leise und klar, aber mit einem vibrierenden Unterton in der Stimme, sprach er den Grafen an: „Wo unsere Sachen doch sowieso nur ein paar Schritt von uns entfernt liegen, könnte mir da nicht jemand von Euren Schergen meinen Stab bringen? Ich glaube selbst Ihr dürftet Euch nicht vor einem Stück Holz fürchten, das zudem mit keinem einzigen Zauber belegt ist. Ausgenommen dem, der ihn zu meinem Stab macht. Meinem!“ Das letzte Wort knurrte der Horasier, eine Explosion gerade noch unterdrückend. „Nun, auf diesem Gebiet bin ich nicht kompetent genug. Das muss mein Mentor entscheiden.“, wiegelte Alderich das Ansinnen des Magiers ab. „Wenn er morgen kommt! Bisweilen lasse ich Euren Stab sicher in der Obhut meiner Gefolgsleute!“ Gleich mehrere der Gefangenen erhoben nun zeitgleich ihre Stimme. „So nehmt mir wenigstens vorerst meine Fesseln ab. Ich gebe Euch mein Wort, dass ich bis morgen zur Mittagsstunde weder fliehen, noch jemanden etwas tun werde. Ihr habt mein Wort!“, versuchte es Agum Matra mit einem Ehrversprechen, das sein Gegenüber jedoch mit einem knappen Kopfschütteln zurückwies. „Und wer soll Euer Mentor sein?“, fragte Praiadan kühl. Adriego schloss sich der Frage des Geweihten an. „Genau, wer ist Euer Mentor? Und bis er kommt: Was wird aus meinem Schlafgemach?“ „Lasst Euch überraschen, ich will Euch doch nicht die göttergefällige Vorfreude stehlen, Euer Gnaden! Wartet es ab, vielleicht könnt Ihr es Euch ja denken?“ Dann, an Adriego gewandt: „Fürwahr, Ihr imponiert mir! Wenn ich Euch unter anderen Umständen kennengelernt hätte, so würde ich die Konversation mit Euch sehr schätzen! Aber nun begebt Euch bitte wieder brav in meine Obhut, ja?“ Unverhohlene und echte Sympathie schlich sich überraschend in Alderichs Stimme ein. „Ich bitte Euch, ich bin doch kein Horasier!“, empörte sich der Zurechtgewiesene. Er wollte sich nicht wie ein unartiges Kind zurück auf sein Zimmer schicken lassen. „Aus Punin komme ich, der Stadt des Wissens. Das liegt in Almada, wie Ihr sicherlich wisst. Mir bleibt in der Tat nichts anderes übrig, als mich Eurem Willen zu fügen. Wer glaubt mir macht das Spaß, der irrt sich gewaltig. Wenn wir nachher in unserem Gemach sind, dann seid doch einfach so nett, schaut einmal vorbei und erklärt uns den Grund, warum Ihr uns gefangen haltet. Auf gleicher Ebene, nicht so.“ Adriego wies auf die Bewaffneten, trat dann jedoch wie geheißen zurück zu den anderen Gefangenen. Anna stöhnte vernehmlich auf, genervt vom unseligen Hokuspokus vor ihrer Nase. Auch Valeris war ungehalten und zischte Adriego, als dieser zurück in die Gruppe trat, leise zu: „War das Eure Bewerbung als Hofnarr? Wenn Ihr als Zielscheibe dienen wollt, nur zu! Aber nicht wenn Ihr uns damit auch umbringt!“ „Nichts liegt mir ferner, als das Leben Anderer zu gefährden. Aber ich lasse mich doch nicht einfach von solchen Leuten unterbuttern wie ein…“, der Schwertgeselle suchte ein passendes Wort, verwarf dann jedoch den starken Ausdruck, der ihm auf der Zunge lag. „Wie ein schwacher Mann eben. Wie Ihr seht ist nichts passiert, seid unbesorgt.“
„So, nun teilen wir uns ein Zimmer. Aber ich glaube so hattet Ihr Euch das sicher nicht vorgestellt.“ Anna grinste Adriego frech an und rieb sich die endlich wieder freien, jedoch ordentlich aufgeschürften Handgelenke. Der Angesprochene lächelte die junge Magierin freundlich an, denn endlich kam er in den Genuss eines Gesprächs mit ihr, was ihm in Festum schmerzhaft verweigert worden war. „Das entspricht in der Tat nicht meiner Vorstellung. Aber auch hier bleibt gewiss genügend Zeit und Raum, um…“ Die beiden wurden unterbrochen, als Ramon an den Almadaner herantrat und ihn bei Seite nahm. „Das war sehr mutig, aber auch töricht von Euch! Euer Benehmen hätte uns allen schaden können. Fahrt bitte Eure Eitelkeit auf ein vernünftiges Maß zurück. Wir kommen schon irgendwie hier raus!“, flüsterte der Südländer dem Schwertgesellen eindringlich zu. „Eitelkeit? Was unterstellt Ihr mir?“ Adriego hatte gewissenhaft zugehört, denn schließlich war sein Gegenüber irgendwie in die Organisation der Expedition eingebunden. „Ich habe lediglich versucht, Etwas aus dem Mann herauszubekommen. Zugegeben, ich habe meine eigene Art, aber die Ausdrucksweise, die Xardan an den Tag legt, könnte ihm und uns wohl mehr schaden. Er hat sicherlich Recht mit dem was er sagt, aber bringt es uns weiter?“, rechtfertigte er sein merkwürdiges Verhalten auf dem Innenhof. „Ihr seid Ramon Orthogez, richtig? Ich bin Adriego Manzanares.“ Der Almadaner reichte dem Mann aus Sant Ascanio kameradschaftlich die Hand. „Das stimmt, ich bitte um Vergebung. Doch es geht bei dieser ganzen Sache um meinen Heimatort, deswegen bin ich vielleicht ein wenig gereizt.“ Auch Ramon war nicht auf unnötigen Streit aus und schlug kräftig ein. „Selbstverständlich, ich verstehe das. Könnt Ihr mir vielleicht erklären, was es mit Alderich von Notmark auf sich hat und was von uns hier verlangt wird?“ „Ich kann mir das auch nicht erklären. Aber zumindest dürfte er nicht im Bunde mit dem Ungenannten stehen, denn dann wären wir jetzt schon tot. Nein, dieser Mentor muss jemand anderes sein, aber wer?“ Der Südländer kratzte sich nachdenklich am Kopf. Auch Adriego wusste darauf keine Antwort und so orientierten sich beide zum reich gedeckten Tisch. Jurge, der junge Rondrageweihte, hatte sich zusammen mit Xardan vergewissert, dass das Essen einwandfrei war. Die meisten der Gefangenen versammelten sich an der Tafel und taten sich gütlich am reichlichen Angebot. Karima schaute sich noch etwas im Raum um, besonders die Schießscharten weckten ihr Interesse.
Unverhoffte Unterstützung wurde ihm von Adriego zuteil. „Gebäudekomplexen wie diesem hier hat das Garethi nicht umsonst den Namen ‚Festung‘ gegeben. Es hat für mich rein gar nichts mit Unterwürfigkeit zu tun, nicht töricht und leichtsinnig zu sein. Seine Ehre verteidigt man wohl kaum, wenn man durch eine Tür bricht, hinter der weder Freiheit noch Erfolg warten. Falls man die Luke überhaupt aufbekommt. Das zumindest ist die almadanische Sichtweise der Dinge. Ich finde das sollte man einsehen können.“ Ramon hatte sich mittlerweile mit einem Stuhlbein bewaffnet und versuchte nun, aus dem Tisch und den Betten eine Art Hebel zu basteln. Auch Adriego hatte sich mit einer Keule bewaffnet – einer schmackhaft marinierten Geflügelkeule. „Wenn ihr die Betten kaputtmacht, dann nehmt nicht meins! Ich werde heute Nacht mit keinem von euch meine Decken teilen.“ Nach einem Seitenblick auf Anna fügte er noch schmunzelnd hinzu: „Weibliche Bettwärmer sind natürlich gerne gesehen!“ Die rothaarige Magierin lachte lauthals auf und auch Valeris musste grinsen.
„Schluss mit Stühlen und Tischen. Im Namen der Götter! Ingerimm, lass unsere Waffen nicht versagen, Rondra schenke uns Tapferkeit, Phex lass Gerissenheit und List über uns kommen, Hesinde segne uns mit Weisheit und Verstand. Wer gegen eine solche göttliche Kombination und den Stolz eines Almadaners ankommen mag, der muss erst noch geboren werden. Bei allen Zwölfen!“, putschte Adriego die Anderen um göttlichen Beistand flehend auf.