Kapitel 3, Adriego auf der Walsachfahrt
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„Aber das müsst Ihr doch wissen, Numba. Eine interessante Geschichte, aber ob etwas fehlt, dass liegt in Eurem Ermessen.“, erwiderte Jurge grinsend. „Und Ihr, Adriego? Wenn ich mich richtig entsinne, dann stammt Ihr aus Almada. Erzählt uns Eure Geschichte! Und vor allem, wie Ihr gelernt habt, so wunderschön zu musizieren!“ „Meine Geschichte wollt Ihr hören? Das klingt ja so, als wäre sie bereits vorbei. Aber das wollen wir doch nicht hoffen.“, lachte der Schwertgeselle dem Geweihten freundlich ins Gesicht. „Wie Ihr es richtig in Erinnerung habt, komme ich aus Almada. Aber Almada, wenn auch das wahrscheinlich schönste Königreich, das ich je bereist habe, ist für mich nur ein Begriff. Meine Heimat ist Punin. Ich wurde dort geboren, mein Vater Amado ist ein Kaufmann verschiedenster Güter, vor allem aber Textilien. Solltet ihr je nach Punin kommen, sucht ihn nur auf. Er jedenfalls brachte mir auch das Spiel auf der Mandoline bei und mein Stück in Festum war ein Geschenk zu meinem fünfzehnten Tsatag, der letzte, den ich mit meiner Familie feiern sollte. Dann nämlich erzählte mir ein treuer Jugendfreund von dem Vorhaben, sich bei einer Schwertgesellenschule zu bewerben und ich witterte dort meine große Chance. Mein Vater sah dies aber ganz anders, weshalb wir uns im Streit verabschiedeten. Die nächsten drei Jahre verbrachte ich also in Meister Essalios Schule. Seitdem bin ich noch dabei, ein wenig diesen Kontinent zu erkunden. Bisher führte mich die Reise allerdings nur immer weiter gen Norden und ich bin gespannt, was uns dort unten im Süden erwartet, wenn es auch nach nichts Gutem klingt.“ Xardan schaute trotz der Erzählungen sichtlich gelangweilt aus und blieb nur aus Höflichkeit sitzen. Doch dann konnte er sich doch nicht verkneifen, ein Buch aus seinem Rucksack zu ziehen und darin herumzublättern. Dragomir trank einen Schluck Tee und nahm das Schweigen der anderen Gefährten zum Anlass, selbst das Wort zu ergreifen. „Herr Manzanares, wir wollen nicht hoffen, dass Eure Geschichte hier endet! Und ich denke, das Geschäft Eures Vaters wird meine Familie interessieren. Vielleicht lässt sich manch guter Handel abschließen.“, entgegnete er dem Almadaner gutgelaunt. „Nun, da es mein Vorschlag war, uns genauer vorzustellen, will ich nicht nachstehen.“ Er holte tief Luft. „Wie Ihr vielleicht bemerkt habt, ist der Landstrich, den wir gerade passieren, meine Heimat: Firunwald im Herzen des Bornlandes. Hier bin ich aufgewachsen, genauer gesagt auf jener Burg, auf der wir Herrn Cavanzona zurückließen. Ich bin Soldat, mein Handwerk habe ich zunächst von meinem Vater gelernt, dann von meinem Lehrmeister auf der Akademie, schließlich auf mehreren Reisen durch Aventurien. Und wenn ich nicht gerade auf einem Flussschiff den Walsach hinunterfahre, versehe ich meinen Dienst als Adjutant des bornischen Rüstmeisters in Festum-Bangra, wo ich ihm und der Adelsmarschallin für, sagen wir, besondere Aufgaben wie diese hier zur Verfügung stehe.“ Betretendes Schweigen folgte der Vorstellung des Freiherrn. Jurge räusperte sich und brach die unangenehme Stille an Deck: „Adriego, wollt Ihr uns vielleicht eine Kostprobe Eures musikalischen Könnens zum Besten geben?“ „Das würde ich gerne. Natürlich immer vorausgesetzt, die anderen möchten es auch hören. Wollen wir denn wirklich den Gelehrten Herrn beim Lesen stören?“ Der Schwertgeselle schmunzelte und blickte belustigt zu Xardan. Der junge Rondrianer nickte vor Vorfreude eifrig mit dem Kopf, doch er hatte noch einen kleinen Einwand: „Wartet bitte noch einen Augenblick, bevor Ihr den Magier aufschreckt. Ich würde mir gerne noch etwas Wärmeres anziehen, dann können wir Eure musische Begabung genießen! Bin sofort wieder hier!“ Damit verschwand der Geweihte für wenige Augenblicke unter Deck. Adriego holte seine Mandoline hervor und stimmte das Instrument mit geübten, doch etwas eingerosteten und kalten Fingern. Auch wenn der Horasier nicht sonderlich in sein Buch vertieft schien, so war ihm zunächst keine Reaktion auf die feinen Töne anzumerken. Der Magier kritzelte stattdessen kurz einige Notizen an den Rand seines Diariums und verstaute das Buch anschließend betont langsam wieder in seinem Rucksack. „Nun gut, Adriego. Wenn Ihr schon sämtliche Bewohner des Bornlandes aufschrecken wollt, dann spielt wenigstens etwas… nun… Südländisches, um nicht zu sagen Horasisches.“, forderte er den Almadaner mit einem ebenso erwartungsvollen wie spitzbübischen Gesichtsausdruck auf. „Ihr seid doch in meiner Heimat ausgebildet worden. Kennt Ihr das Stück vom stürmischen Yaquir? Ein wunderschönes Stück in Moll, die Achtel- und Sechzehntel-Töne im schnellen Lauf, ja und auch ein sehr einprägsames Motiv. Lizaro war ein Meister seines Fachs. Wer das Stück noch nicht von einem horasischen Orchester hören durfte, der hat wahrlich etwas verpasst. Aber diese Ehre ist wohl nur wenigen auf diesem Schiff zuteil geworden, schätze ich.“ Er lächelte selbstzufrieden. Offenbar hatte Adriego sein Interesse an den schönen Künsten gehörig unterschätzt“ „Ihr meint Der stürmische Yaquir, nicht wahr? Ich wäre kein Musiker, wenn ich dieses Lied nicht kennen würde. Jaja, über diesen Fluss gibt es viele Lieder, aber ich bin nicht sicher, ob ich es noch auswendig kann.“ Jurge kehrte zurück an Deck, in einen wärmenden Fellmantel gehüllt und mit einer Decke auf den Armen. „So! Von mir aus kann es gerne losgehen!“, strahlte der Geweihte vor Vorfreude. Auch Numba schaute auf, zog seinen Mantel ein wenig enger um sich und wartete gespannt auf die ersten Töne der Mandoline. Adriego bettete das Instrument auf seinem rechten Knie, strich einmal über die Saiten und blickte dann zur aufstrebenden Praiosscheibe. Langsam begann er zu spielen und nach drei Takten auch mit angenehm rauchiger Stimme zu singen. Das Lied handelte vom Yaquir in den verschiedenen Jahreszeiten und begann mit der Beschreibung des Winters. Tragend langsam schwebten die Töne über den Walsach, Molldreiklänge dominierten diesen Teil des Stücks. Danach kam jedoch der Frühling mit einem hüpfenden Staccato belebend daher, wobei Adriego den Text ausließ und nur noch summte. Der Sommer glich einem heißen Tanz, bevor der Herbst schließlich mit sehr fließenden Tönen das Meisterwerk horasischer Liedkunst beschloss. Sedrox und Numba applaudierten laut und hingerissen, doch Xardan klatschte nur zaghaft und gedehnt. Der Almadaner schaute irritiert auf und verzog verärgert seine Augenbrauen. Der Magier hingegen wirkte nicht enttäuscht, sondern war vielmehr durch die Musik im Geiste in ferne Regionen entschwunden. Der Künstler lächelte und genoss nun den nicht enden wollenden Applaus an Deck. „Ihr versteht es wahrlich ausgezeichnet, zu musizieren, Adriego! Kompliment! Doch spielt nun bitte noch einmal das Lied aus der Botschaft. Bitte!“, äußerte Jurge sofort einen Musikwunsch, der ihm sehr am Herzen lag. Leider musste das Lieblingslied seines Vaters noch etwas warten. „Ich hätte jetzt an ein anderes gedacht, da es dem vom stürmischen Yaquir sehr ähnelt. Aber wenn Ihr es wünscht, dann spiele ich es später gerne für Euch. Schließlich kann ich diese Lieder nicht umsonst auswendig, sie stammen aus meiner Heimat und eines gefällt mir besser als das andere.“, vertröstete der Almadaner den Rondrageweihten und setzte erneut zu einem ein Stück an. Der Text des zweiten Liedes ähnelte dem des ersten in der Tat sehr, doch die Melodie variierte fröhlich zu einem beschwingten Galopp und verzichtete passenderweise auf Molltöne. Numba lauschte den Liedern Adriegos sichtlich hingerissen, war ihm doch diese Art von Musik vollkommen fremd. Umso lauter applaudierte er nach dem zweiten Stück und wirkte entschlossen, jeden an Lautstärke zu übertreffen, der dem Künstler noch mehr Beifall spenden würde. „Wirklich eine bewundernswerte Gabe, die Ihr besitzt, Herr Manzanares. Es scheint, als sei für unser seelisches Wohlbefinden vortrefflich gesorgt.“, bemerkte Dragomir lächelnd. Xardan hingegen verlor das Interesse an heimatlichen Klängen und zog sich nach achtern zurück, wo er eine Weile still meditierte. „Meine Anerkennung, Adriego! Ihr versteht es fürwahr, uns zu unterhalten. Kennt ihr Die Wacht am Donnerbach? Das würde nun hervorragend anschließen und mich mehr als entzücken!“, war Jurge Feuer und Flamme für weitere Zerstreuung und wartete gespannt auf eine Antwort. „Nein, Euer Gnaden, das Lied kenne ich leider nicht. Ich spiele für Euch gerne noch das Stück aus der Botschaft, doch anschließend sollten wir für heute aufhören, denn sonst hört Ihr bald nur noch immerzu die gleichen Lieder.“ Der enttäuschte Geweihte wurde mit einer besonders gelungenen Version des Lieblingsliedes seines Vaters versöhnt, doch alle Anwesenden hofften vergeblich auf weitere Darbietungen. Adriego schlug alle Wünsche aus, verstaute die Mandoline vorsichtig in seinem Rucksack und erhob sich. „Wirklich schade, aber wir haben ja noch ein paar Abende, an denen Ihr uns mit Musik erfreuen könnt.“, bekundete auch Dragomir lächelnd sein Bedauern. „Vielleicht könnt Ihr Jurge ja den einen oder anderen Grundgriff zeigen. Er scheint mir hochinteressiert.“ Mit einem freundlichen Nicken begab sich der Almadaner unter Deck.